1. Erstes Eilverfahren zur Sicherung der Durchführung eines eingereichten Bürgerbegehrens
Auf der Webseite der Stadt Braunfels (Sitzungsprotokolle - Dateianlagen zur Niederschrift vom 21.08.2025 Haupt- und Finanzausschuss) finden Sie die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Gießen und des Verwaltungsgerichtshofes Kassel zu den Verfahren Braunfelser Bürger gegen die Stadt Braunfels zur Sicherung des Bürgerbegehrens "Erhaltet den Braunfelser Wald":
Begehr der Sicherung der Durchführung eines eingereichten Bürgerbegehrens durch einstweilige Anordnung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.
Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen
https://braunfels.ris.kommune-aktiv.de/scripts/get_MediaGateDocuments.asp?SID=cms0409202512433428743226&A=27534&D=16886
Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Kassel
https://braunfels.ris.kommune-aktiv.de/scripts/get_MediaGateDocuments.asp?SID=cms0409202512433428743226&A=27534&D=16887
2. Zweites Eilverfahren zur Sicherung der Durchführung des Bürgerbegehrens
Der neue Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 1. Oktober
Zur Einleitung
Das neuerliche Verfahren hatten wir nach eingehender Konsultation unserer befassten Juristen angestoßen.
Dies auch auf die Gefahr hin, dass diejenigen Stimmen recht behalten würden, die im Vorfeld meinten, ein solcher Rechtsstreit sei chancenlos, wenn nicht juristisch gar nicht statthaft.
Doch wir in der BI wollten nicht weiter die Faust in der Tasche ballen und diese reichlich faulig stinkende Kröte einfach schlucken. Es war weder uns selbst noch den großzügigen Spendern zu vermitteln, dass ein Prozess quasi mit einer Lüge gewonnen werden kann und wir, als Unterlegene, dann für diesen Schwindel auch noch die Kosten tragen müssen.
Unser Ziel ist es stets, die vorhandenen Mittel so effizient, aber auch so effektiv wie möglich zu verwenden. Das sind wir bereits allein den zahlreichen Zuwendern und Mitstreitern schuldig.
Doppelte Klatsche für den Magistrat:
Eine Mahnung des Gerichts und eine Verpflichtung,
Recht und Gesetz einzuhalten!
1. Auf die Schnelle: Der Beschluss des VG Gießen vom 01.10.2025
„Der Antragsgegnerin [Stadt, vertreten durch den Magistrat, Anm. d. Verf.] wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des am 27. März 2025 eingereichten Bürgerbegehrens „Erhaltet den Braunfelser Wald" Pacht-/ und/oder Nutzungsverträge für Windkraftanlagen im Braunfelser Wald nur unter der Maßgabe zu unterzeichnen, dass der Vertrag ein Rücktrittsrecht zu Gunsten der Antragsgegnerin für den Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens enthält.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.“
(Im gesamten Text: Alle Hervorhebungen sind von uns)
2. Das falsche Spiel des Magistrats mit der Rücktrittsklausel
Zur Erinnerung:
Die Stadt (vertreten durch den Magistrat) hatte im ersten Eilverfahren in ihrer letztendlich erfolgreichen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Kassel gegen den Eilbeschluss des VG Gießen ein „Kaninchen aus dem Hut gezaubert“, nämlich neu vorgetragen, dass der zu unterzeichnende Vertrag eine Rücktrittsklausel enthalten wird, welche für den Fall eines erfolgreichen Bürgerbegehrens ein einseitiges Rücktrittsrecht zugunsten der Stadt vorgesehen hätte.
Ein solches Rücktrittsrecht stellt aus juristischer Sicht jedoch eine wesentliche und nicht nur redaktionelle Vertragsänderung bzw. -ergänzung dar!
Kurz gesagt, hatte der Magistrat damit in dem ersten Eilverfahren Erfolg. Ein derartiger "Erfolg" ist aber allenfalls mit einem Erfolg vergleichbar, der durch eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, also durch eine Täuschung, erzielt wird.
Wie sehr entscheidend diese Rücktrittsklausel im Verfahren war und ist, beschreibt das Verwaltungsgericht Gießen in seiner jetzigen Begründung:
„Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ist zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 25. Juni 2025 erkennbar davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin ein zu ihren Gunsten für den Fall eines erfolgreichen Bürgerentscheids vertragliches Rücktrittsrecht in den avisierten Vertrag aufnehmen wird bzw. den Vertrag nur dann abschließen wird, wenn ein solches Rücktrittsrecht aufgenommen wird. Dies wird an mehreren Stellen in dem Beschluss vom 25. Juni 2025 deutlich. So heißt es dort:
,,.. die Gefahr einer endgültigen Rechtsvereitelung ist unabhängig vom Verfahrensstand des Bürgerbegehrens durch ein einseitiges Rücktrittsrecht der Gemeinde gebannt." (…)“
Wie maßgeblich das Rücktrittsrecht ist, wird dann auch hier sehr deutlich:
„Erkennbar ist der Antrag der Antragstellerin damit durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung eines Sachverhalts abgelehnt worden, dass die Antragsgegnerin ein Rücktrittsrecht zu ihren Gunsten in den geplanten Vertrag aufnehmen bzw. einen Vertrag ohne das entsprechende Rücktrittsrecht nicht unterzeichnen werde. Denn die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 24. April 2025 erklärt: "Unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag mit einer entsprechenden Ausstiegsklausel versehen wird, soweit das Bürgerbegehren als zulässig erklärt wird und letztlich auch erfolgreich durchgeführt wird." “
Doch wollte der Magistrat nach dem damit gewonnenen Verfahren urplötzlich nichts mehr von seiner Rücktrittsklausel wissen!
Der Magistrat agierte nun vor Gericht mit schwammigen Behauptungen, die so aber nicht korrekt sind
Vor Gericht behauptet der Magistrat plötzlich, die Rücktrittsklausel wäre gar nicht verbindlich zugesagt worden. Dass das nicht korrekt ist, erklärt das VG Gießen in deutlichen Worten.
Dazu führte das VG Gießen nun das Folgende in bemerkenswerter Deutlichkeit aus:
„Zudem ist auch der Vortrag der Antragsgegnerin, sie habe in dem zweitinstanzlichen Verfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Az.. 8 B 787/25) lediglich vorgetragen, sie werde sich „bemühen, eine entsprechende Rücktrittsklausel in die Verträge miteinzuarbeiten" nicht korrekt. Denn in dem im hiesigen Verfahren vorgelegten Beschwerde-Begründungsschriftsatz vom 24. April 2025 hat die Antragsgegnerin wörtlich erklärt: ,,Unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag mit einer entsprechenden Ausstiegsklausel versehen wird, soweit das Bürgerbegehren als zulässig erklärt wird und letztlich auch erfolgreich durchgeführt wird." “
3. Zur angeblich schon festgestellten Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens
Immer wieder wurde behauptet, unser Bürgerbegehren sei durch die Gerichte schon als unzulässig eingestuft worden.
Das ging sogar so weit, dass Stadtverordnete die Aussagen des Magistrats so interpretierten, dass es gar keine andere Möglichkeit gäbe, als unser Bürgerbegehren als unzulässig abzukanzeln. Unter sehr strenger Betrachtung könnte man dieses Verhalten des Magistrats bereits als wesentliche Beeinflussung und Behinderung der Mandatsausübung beanstanden.
Dabei hatten wir als BI zuvor wirklich keine Gelegenheit ausgelassen, den Stadtverordneten zu erklären, dass sie in ihrer Entscheidung nur an ihr eigenes Rechtsverständnis gebunden sind, nicht aber - und zwar keinesfalls! - an das des Magistrat, der, wie jeder weiß, in Braunfels nun mal nicht aus Rechtsanwälten oder Richtern besteht, sondern insoweit aus dem, was man für gewöhnlich als Rechtslaien bezeichnet.
Dazu stellt das VG Gießen dann auch unmissverständlich fest, dass in einem Eilverfahren über die Frage der Zulässigkeit gar nicht endgültig entschieden werden kann und auch nicht entschieden werden darf.
Damit ist die den Stadtverordneten vonseiten des Magistrats suggerierte und geradezu aufgezwungene Interpretation nicht zutreffend:
„Mit seiner Entscheidung vom 25. Juni 2025 (Az.. 8 B 787/25) hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof auch nicht bereits abschließend und rechtskräftig über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entschieden, wie die Antragsgegnerin geltend macht. Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens war nicht Streitgegenstand der getroffenen Entscheidung, sondern vielmehr der Anspruch der Antragstellerin auf einstweilige Sicherung ihres Rechts, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens dieses nicht durch die Schaffung von Tatsachen obsolet werden zu lassen.
Im Eilverfahren wird über den Streitgegenstand der Hauptsache gerade nicht endgültig entschieden, sondern eine endgültige Entscheidung über eine vorläufige Regelung getroffen. (…)“
„Nach Ansicht der Kammer muss eine überwiegend wahrscheinliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens für die Annahme eines entsprechenden Anordnungsanspruchs gerade nicht vorliegen, sondern es genügt, wenn das Bürgerbegehren nicht offensichtlich unzulässig ist. (…)“
„Gerade in Eilverfahren über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens, die - wie hier - komplexe planungsrechtliche Verfahren tangieren, ist es im Zeitraum vor der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung über die Zulassung des Bürgerbegehrens einem Gericht im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht möglich, eine abschließende Prüfung einer überwiegend wahrscheinlichen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durchzuführen.“
Die Vorwegnahme der Zulässigkeitsentscheidung durch ein Gericht wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz!
Das Gericht stellt nochmal ganz klar fest, dass zuerst die Stadtverordneten entscheiden und diese Entscheidung erst dann gerichtlich angefochten bzw. gerichtlich überprüft werden kann. Das ist nicht nur zufällig haargenau das, was wir stets konstatiert haben.
„Eine endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Erhaltet den Braunfelser Wald" kann erst dann gerichtlicherseits getroffen werden, wenn es eine Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin darüber gibt, die gerichtlich angefochten wird.“
(..)
„Zudem ist zuvörderst die Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung dazu berufen, die „Erst"-Entscheidung - unbeeinflusst durch eine etwaige gerichtliche Eilentscheidung - über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens zu treffen. Sie hat bereits von Gesetzes wegen den „ersten Zugriff" auf eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens, § 8b Abs. 4 Satz 2 HGO.
Eine Vorwegnahme einer - mit einer größeren Prüftiefe als mit der Begründung einer fehlenden offensichtlichen Unzulässigkeit verbundenen - Entscheidung, dass ein Bürgerbegehren ganz überwiegend wahrscheinlich zulässig ist, verlagert nicht nur die Prüfpflicht zeitlich vor eine Entscheidung des dazu berufenen Organs, der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung, auf das Verwaltungsgericht, sondern stellt zudem einen Eingriff in den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -) dar, der eine gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Entscheidung durch die Judikative grundsätzlich
erst nach deren Erlass vorsieht und nicht davor. (…)“
(…)
„Dass das Bürgerbegehren nicht offensichtlich unzulässig ist, hat die Kammer bereits im Beschluss vom 25. Mai 2025 (Az. 8 L 1632/25.GI) näher ausgeführt, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird.“